Kooperative Praxis

Die kooperative Praxis ist vor ca. 15 Jahren von RA Stuart Webb aus Minneapolis entwickelt worden.  Mittlerweile ist sie in 40 Staaten der Vereinigten Staaten weit verbreitet.
Wesentliche Grundvoraussetzung der Kooperativen Praxis ist die Charta, die die kooperative Praxis zu Grunde liegenden Regeln in rechtswirksamer Weise verpflichten. Wesentliches Merkmal der kooperativen Praxis ist die strukturierte, verfahrensgeleitete Verhandlung sowie die Präsenz von Interessenvertretern/Beratern auf beiden Seiten bei Abwesenheit einer streitentscheidenden oder neutralen dritten Person (Richter, Schlichter, Mediator, Vermittler etc.).

Grundlage

Das Konzept beruht auf dem Harvard Negotiation Project der Harvard-Universität. Ziel der Methode ist den klassischen Kompromiss (beide Seiten verlieren durch wechselseitiges Nachgeben) zu überwinden, da ein win-win-Ergebnis angestrebt wird.Die kooperative Praxis übernimmt die Prinzipien und Methoden des Harvard-Konzepts, gibt diesen jedoch einen strukturellen Rahmen und Ablauf.

Eignung des Falles

In aller Regel handelt es sich um komplexe Fälle, in denen entweder bereits die Formulierung eines Klageantrages nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, oder in denen der Streit nicht Ausdruck von divergierenden Positionen, sondern von dahinterliegenden Interessen ist, die ggf. nicht einmal auf juristischer Ebene liegen.

Aufklärung des Mandanten

Der anwaltliche Berater erläutert seinem Mandanten die Vorteile der interessengeleiteten, sachlichen Verhandlung im Gegensatz einer positionsgeleiteten Verhandlung, die das Risiko eines späteren Rechtsstreites mit sich bringt.

Vorschlag an die Gegenseite

Der anwaltliche Berater erläutert seinem Mandanten die Vorteile der interessengeleiteten, sachlichen Verhandlung im Gegensatz einer positionsgeleiteten Verhandlung, die das Risiko eines späteren Rechtsstreites mit sich bringt.

Übereinkunft Anwalt- Mandant

Der Mandant wird darüber informiert, dass Voraussetzung der Verhandlung nach der kooperativen Praxis eine schuldrechtliche Vereinbarung ist. Insbesondere im Hinblick auf die Vertraulichkeit und die Sanktionierung des Ergebnisses der Verhandlungen ist es notwendig, dass die Parteien untereinander eine Vereinbarung treffen, die notwendigen Informationen offenzulegen. Diese Informaionen unterliegen allerdings der Vertraulichkeit und können in einem späteren Prozess nicht verwendet werden. Ein wesentliches Element der Vereinbarung ist daher auch, dass die Anwälte im Falle des Scheiterns der Verhandlungen nicht berechtigt sind, die von ihnen vertretene Partei in dem späteren Prozess zu vertreten.

Kontakt Anwalt- Anwalt

Beim ersten Kontakt legen die Anwälte fest, wann,wo und in welchem Rahmen die Verhandlungen stattfinden sollen.

Vorbereitende Sitzung Mandant- Anwalt

Bei der vorbereitenden Sitzung mit den jeweiligen Mandanten wird der Sachverhalt aufgearbeitet und es erfolgt eine vertiefte Einführung in die Kommunikationsregeln. Die wesentlichen Kommunikationsregeln sind hierbei: Zuhören, Nichtunterbrechen, gleiches Rederecht und Redezeit für die Beteiligten, Verwendung des „Ich“ zur Mitteilung seiner Wahrnehmung sowie Höflichkeit und Respekt. Gleichzeitig werden die Interessen des Mandanten herausgearbeitet und mögliche Lösungsansätze – auch im Verhältnis zu der anderen Partei diskutiert:

Zusammentreffen/ Verhandlungsrunde

Der Anwalt muss seinem Mandanten, aber auch der anderen Partei aktiv zuhören und die Befindlichkeiten, Interessen und Motive mit Respekt aufnehmen. Idealerweise erfolgt die Reformulierung durch den Anwalt der anderen Partei, wenn die Anwälte sich zuvor hierauf verständigt haben.

An dieser Stelle wird weder bewertet, geurteilt noch Lösungsansätze skizziert oder vertreten werden. Die Praxis hat gezeigt, dass Lösungen, die sich bereits in diesem Stadium aufdrängen und Gegenstand einer Vereinbarung werden, in aller Regel nicht belastbar sind.

Protokolle

Bei jeder nachfolgenden Sitzung wird das Protokoll der vorangegangenen Sitzung verlesen und von den Parteien für richtig befunden, ggf. korrigiert.

Weitere Sitzung/ Brainstorming

Gegenstand einer weiteren Sitzung ist die Erarbeitung möglicher Optionen zur Lösung des Streitfalls, wobei diese Sitzung die Besonderheit aufweist, dass keinerlei Bewertung auf Sach-, Interessen- oder emotionaler Ebene erfolgen darf.
Die Parteien wie auch ihre Anwälte sind aufgefordert, anhand der zuvor herausgearbeiteten Problemfelder mögliche Lösungen zu skizzieren, die weder von der eigenen Partei noch von der Gegenpartei bewertet werden dürfen.

De-Briefing

Nach dieser Sitzung findet wiederum ein De-Briefing statt sowie eine Vorbereitung auf die nächste Sitzung, wo aus den verschiedenen Modulen der Lösungen und den Lösungsansätzen Pakete gebildet werden und zwischen Anwalt und Mandant evaluiert werden.

Bewertung

Bei der Bewertung der Vorschläge ist der Input des Anwaltes wichtig. Denn es kann bei dem De-Briefing mit dem Mandanten eine Bewertung der Lösungsansätze unter rechtlichen Gesichtspunkten erfolgen. Dabei ist auch durch die Beteiligung von zwei Anwälten die Waffengleichheit gewährleistet sowie die Verankerung der Lösungsansätze und Bewertungen anhand objektiver Kriterien, nämlich der Realität des anwendbaren Rechtes. Die Lösungspakete werden wechselseitig vorgestellt, entweder durch die Anwälte oder den jeweiligen Mandanten.

Verständigung/ Vereinbarung

Die Parteien verständigen sich auf eine gemeinsame Lösung und es obliegt den Anwälten, diese Vereinbarung in eine juristisch einwandfreie Vereinbarung zu überführen.